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Description
(Text)
Kurz vor ihrem Tod erzählt die 85-jährige Puti von ihren Jugendjahren in Nazideutschland. Angela Schmidt-Bernhard, Tochter und Autorin, kannte sie als eine Frau, die ein Leben lang ihre Identität verbarg und mit der Scham lebte, zu den Überlebenden zu gehören, die sich selbst nicht wichtig nahm, weil sie so viel anderes Leid gesehen hatte. Eine Frau, die nur ein einziges Mal wagte, über ihre 'Abstammung' zu sprechen - auf einem Spaziergang durch den verdämmernden Park von Sanssouci. Damals, im Spätsommer 1943, als die große Liebe kam, mitten im Krieg, öffnete sie ihr Herz: der Vater Halbjude, sie Vierteljüdin. Danach, und in der Nachkriegszeit, folgten das große Schweigen - und das immer wiederkehrende Erschrecken über Neonazis mitten in Deutschland.
Angela Schmidt-Bernhard notiert die Erzählungen ihrer Mutter, findet Briefe und Tagebucheintragungen aus jener Zeit und nähert sich dem Erleben und den Gefühlen einer in der gewaltsamen Atmosphäre Nazideutschlands verstummten Frau.
(Table of content)
VORWORT 'ES IST DOCH NICHTS BESONDERES!'
ANNELIESE, GENANNT PUTI
VIERTELJÜDIN
GEBOREN IM JAHR 1920
LIEBE IN ZEITEN DES KRIEGES
EIN KISTCHEN VOLLER MIMOSEN
STUDIENPLÄNE - BERUFSPLÄNE - LEBENSPLANUNG
'NOCH NICHT EINMAL EIN BETT KONNTE SIE BEZIEHEN ...!'
DIE KLEINE SCHWESTER
WAS BLEIBT
NACHWORTE
QUELLEN UND ANMERKUNGEN
BIOGRAPHISCHES
(Extract)
'Wie ist es, wenn man weder zu den einen noch zu den anderen gehört?' In der Antwort meiner Mutter verbarg sich ihr Lebensmotto: 'Es ist doch nichts Besonderes!'
'Hauptsache Schweigen', 'Mischling zweiten Grades', 'Der halbe Stern', so lauten Buchtitel, hinter denen sich Schicksale von Halbjuden und Vierteljuden verbergen. Alle entstanden im neuen Jahrtausend. Es dauerte ein halbes Jahrhundert, bis das Schweigen gebrochen wurde. Das Schweigen derer, die immer dazwischenstanden, die lebten, die überlebten.
Das leise Trauma, das Leiden, das keinen interessierte, schon gar nicht sie selbst, dieses Trauma verbarg sich hinter dem Schweigen. Sich selbst nicht zu ernst nehmen; schlimm erging es den anderen, unerträglich der Gedanke an die Mitschülerinnen, an die Freundinnen, an die Gäste der Eltern, an den Onkel in Berlin, die nicht dieses zweite Leben in der neuen Zeit erleben konnten; sie wurden verhaftet, erschossen, abtransportiert, zusammengepfercht, vergast.
Nach Auschwitz keine Gedichte mehr - nach Auschwitz keine Trä-nen für das eigene, für das geringere Leiden, das Leiden der Überle-benden - nach Auschwitz kein Mitleid mit den Überlebenden - keine Innenschau, keine Seelenverwandtschaft, kein Selbstmitleid, nein, das schon ganz und gar nicht; die Schuld, zu den Überlebenden zu gehören, die Scham des 'Mischlings' - wo findet sich im 'Weder-noch' die Identität?
Im Juli 2006 musste meine fünfundachtzigjährige Mutter ins Kran-kenhaus. Zwei Wochen später - nach intensiver Diagnostik und einem großen Bauchschnitt - kam die Nachricht der Ärzte: 'Es bleiben ihr noch sieben Monate.'
In dieser Zeit erzählte sie - die es immer abgelehnt hatte, etwas aus ihrem Leben aufzuschreiben - mir manches. So versuche ich aus den Notizen, die ich mir in einer Schulkladde machte, etwas von ihren Erinnerungen festzuhalten und weiterzugeben.