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Description
(Text)
Eingeforderte Achtsamkeit gilt in Hochglanzprospekten von Institutionen meist nur der Adressatenseite. Dabei ist ethische Achtsamkeit ohne Selbstsorge für Sozialarbeitende auf die Dauer nicht möglich. Das Thema Achtsamkeit in der stationären Jugendhilfe ist kein Vorwurf der Unachtsamkeit an die Erziehenden, sondern ein Reflexionspunkt. Vorliegendes Buch möchte Mut machen, sich neu als Akteur einer Praxisethik zu verstehen, die beide Seiten berücksichtigt und einfordert. Alle Beteiligten im Jugendhilfeprozess kommen hierfür aus ihrer Sicht zu Wort. Als Teamkonzept ist eine dauerhafte Verwirklichung achtsamer Praxis möglich und kann als ein Qualitätsmerkmal sozialer Arbeit im stationären Alltag angewandt werden. Die differenzierte Ausarbeitung verschiedener Achtsamkeitsauffassungen möchte dazu beitragen über das Thema Achtsamkeit sprachfähiger zu werden.
(Extract)
Textprobe:
Kapitel 3, Achtsamkeit als ethischer Begriff (Carefulness):
In gleicher Weise wie Jantzen, Volz oder Huber versteht Conradi die Achtsamkeit als ethische Haltung. Scheinbar zwangsläufig greift ethische Achtsamkeit hierzu weitere Begriffe auf, die ihr Handeln näher beschreiben. So heißt es, etwa bei Huber, Achtsamkeit sei ein Umgang miteinander, in dem sich die Liebe zum Nächsten, wie zu sich selbst spiegelt, oder Jantzen nennt es Zivilcourage . Conradi beschreibt in zwölf Statements die wesentlichen Elemente der Achtsamkeit. So heißt es dort z.B., die Achtsamkeit ist eine Vorgabe und ein Geschenk, sie ist nicht an eine Gegengabe gebunden (Conradi 2010, S.95). Warum aber sind dies Kennzeichen der Achtsamkeit, ließen sich nicht viele weitere, andere Beispiele finden?
Conradi führt die Achtsamkeit an einen Ursprung zurück: Wenn zwei Menschen sich begegnen, einer der beiden Hilfe braucht und der andere sich nicht abwendet (Gilligans not to turn away from someone in need (s.o.)), besteht die Möglichkeit Achtsamkeit zu entwickeln. Das Hinwenden und nicht Wegsehen sind der Beginn in einer gemeinsamen Bezogenheit (Conradi 2001, S.179) aus Begegnung und Verlässlichkeit, zwischen Care giver und Care receiver, der Care Interaktion, Achtsamkeit zu entwickeln (vgl. ebd., S.238). An dieser Stelle, die mit dem `stehen bleiben` beginnt und an der eine Begegnung für mindestens zwei Menschen Bedeutung gewinnt, kann Achtsamkeit entstehen und meint damit zunächst, ich bin da und höre dir zu, bzw. ich will dich verstehen oder andersherum ich sage dir, bzw. gebe mich zu verstehen. Ähnlich zur Freundschaft ist sie völlig freiwillig und doch wiederum auch nicht, sie wächst oder verkümmert. Wenn sie fehlt wird sie vermisst, befehlen kann man ihr nicht.
Von diesem Ursprung der Begegnung aus kann auch überlegt werden, wie gehen wir miteinander um, verstehe ich dich richtig oder behandle ich dich etwa so, wie du es gar nicht haben willst? Hier werden mitgebrachte Haltungenreflektiert, ein besseres Verständnis des anderen gesucht (Kompetenz und Empowerment), das Haushalten mit den eigenen Kräften abgewogen oder dadurch Verantwortung übernommen, dass Hilfe an z.B. professionelle Dienste weitervermittelt werden muss. Kritik und Veränderung finden durch die konkrete Situation (ebd., S.197) oder durch die aktuelle Begegnung (ebd., S.200) statt. Dies beschreibt eine Ethik der Praxis. Der Prozess dieser gemeinsamen Achtsamkeitserfahrung kann von hier aus durch weitere Begriffe beschrieben werden.
In der Jugendhilfe wirft dieses `Verstehen` zunächst eine Menge Fragen auf: Wie empfinden Kinder ihre Heimsituation, warum reagieren Jugendliche so oppositionell, warum arbeiten Herkunftseltern scheinbar so wenig mit oder etwa, warum wird mein Handeln kaum wertgeschätzt? Auf der Beziehungseben ist die Suche nach Distanz und Nähe, Privatem und Professionellem schwierig. Es scheint notwendig, von hier aus alle `zu Wort` kommen zu lassen.
3.1, Die Freiwilligkeit der Achtsamkeit:
Zunächst soll überlegt werden, welchen Stellenwert Achtsamkeit in der professionellen Arbeit, überhaupt einnehmen kann.
Geschieht, wie es der Volksmund beschreibt, etwas aus Unachtsamkeit, so wird meist nicht Absicht unterstellt: Etwas wurde nicht beachtet, was mehr oder weniger berücksichtigt hätte werden können oder müssen. Unachtsamkeit erscheint demnach als maximal fahrlässig, Achtsamkeit im Kontrast dazu als eine Art Zugabe zum Gewöhnlichen. Ist Achtsamkeit generell lediglich ein Zusatz?
Huber ruft zu ihr auf und Jantzen fordert Zivilcourage gegen Missstände. Conradi bezeichnet sie als Vorgabe und als Geschenk (s.o.). Das Anhalten zur Achtsamkeit betrifft die Grenze zwischen dem, was gefordert werden kann, was bezahlt wird, was das Beste sei und ist andererseits ohne an die eigene Motivation anknüpfen zu können und ohne Wertschätzung auf Dauer unmöglich. Achtsamkeit entsteht wie gezeigt, im Beginn und Fortgang einer Gegenseitigkeit v