Description
(Text)
Wer eine Niere spenden will, muß davon überzeugt sein, daß dieses Geschenk alles übertrifft, was man im Leben bisher gemacht hat. Wer eine Niere abgibt, muss wissen, dass die Niere in einem anderen Menschen ihn auch stimmungsmäßig beeinflussen wird. Man leidet, man freut sich, man begegnet sich alles ist drin. Es ist so, dass neben dem gemeinsamen Glück, das unmittelbar nach einer erfolgreichen Transplantation empfunden wird, auch Stress und Kummer vorbei ziehen können, wenn Probleme im nachhinein auftreten werden. Aber dies ist so und unausweichlich. Es ist ein Teil dieser Entscheidung!
Man muss stark sein, sich stark fühlen und allem trotzen auch den Missachtungen durch andere. Denn eines ist so, wie es ist: viele bewundern diese Entscheidung und genauso gibt es viele, die diese Tat verachten aus Neid, aus Unverständnis, aus überzogenem Glauben an ein vorgegebenes Schicksal. Es gibt Schwestern und Pfleger aus falsch verstandener Moral im Dialysezentrum die eine Lebendspende grundsätzlich ablehnen mit der Begründung, dass der Patient nun dem Tod auf Zeit geweiht ist und dann die Dialyse nur noch dazu dient, ihn darauf vorzubereiten. Jeder Nierenkranker ist zum baldigen Sterben vorgesehen, so dass eine Transplantation nicht mehr in Frage kommen darf und kann. Ein Pfleger sprach davon, alle Dialysepatienten wären Ungeheuer, weil sie ja gar nicht mehr so richtig am Leben wären. Alle Bemühungen um eine Transplantation wären danach überflüssig und verwerflich. Allein das Schicksal wäre nun maßgeblich.
Schade, dass ein Sozialdenken in der Dialyse nicht vorrangig gelebt wird. Krankenschwestern und Pfleger haben die Aufgabe, den Patienten zu betreuen, zu begleiten, zu hel-fen und immer wieder Mut zu machen, dass es durch Transplantation eine neue Zukunft gibt. Stattdessen? Dialyse braucht heute keine Sackgasse zu sein, wie sie es früher gewesen war. Sie soll doch helfen, zu überleben, um durch ein Ersatzorgan einen neuen Lebensanlauf machen zu können. Wer zulange in der Dialyse bleibt, ist bald zum tragischen Tode verurteilt, denn Dialyse verändert alles.
Eine Organspende lässt das Leben wieder hell erscheinen, auch wenn es noch viele Ereignisse geben wird. Das Leben an sich ist immer ein phantastisches Wagnis, dem sich jeder stellt. Das gilt von Geburt an und es kann immer noch viel im Leben passieren! Warum dann nicht auch die Organspende? Warum dann nicht auch die Lebendspende? Jeder ist seines Glückes Schmied, aber wenn alle daran mitwirken, kann gemeinsames Glück für die Gemeinschaft Anteilnahme, Frieden und Verständnis bedeuten.
Wenn es denn so ist, dass sich das eigene Leben für die Spenderin verkürzen sollte, so wäre es doch nichts, wenn sie nicht staunend gegenüber dem Wunder, dass ihre Niere bei mir lebt und sich wohl fühlt, gegenüber stehen würde. Wir glauben an Wunder, wir wünschen uns, dass es sie gibt, aber dann bleiben Wunder nur ein Hoffnungsschimmer am Horizont. Eine erfolgreiche Lebendorganspende ist ein eingetretenes Wunder und überzeugt weit mehr. Das macht Lebensmut.
Ich habe ein neues Leben begonnen und muss mich bemühen, denn neu geboren zu werden im Alter ist nicht einfach. Ich will meine Jahre, die vor mir liegen, noch sinnvoll verbringen, am liebsten mit meiner Spenderin das gemeinsame Glück pflegen und genießen. Viele Stunden des Lebensglücks habe ich mir in meinen 62 Jahren geleistet und die damit verbundenen Schattenseiten versucht zu überwinden. Jetzt aber kann ich mein Glück nicht in Worte fassen und wünsche mir von Herzen, dass es bis zum Tode nicht endet. Verbundenheit und Zuneigung lassen sich nicht mehr voneinander trennen. Sie sind eins geworden.