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(Text)
Die "lex mercatoria" ist auch noch rund 40 Jahre nach ihrer Wiederentdeckung durch die moderne Rechtswissenschaft ein höchst kontrovers diskutiertes Phänomen der internationalen Schiedspraxis. Bisher wurde sie beinahe ausschließlich aus internationalprivatrechtlicher Perspektive als ein materielles Recht der Schiedsgerichtsbarkeit angesehen. Verfahrensrechtliche Aspekte der lex mercatoria sind in der juristischen Literatur bislang mit dem Hinweis auf die notwendige Lokalisation ("Erdung") des Schiedsverfahrens abgelehnt worden. Die vorliegende Arbeit zeigt, dass den Schiedsgerichten durch die faktische Delokalisation infolge herabgesetzter Überprüfungskompetenzen staatlicher Gerichte in den modernen Schiedsverfahrensrechten tatsächlich im Laufe der Zeit Freiräume zugewiesen worden sind, die diese mit transnationalen Verfahrensgrundsätzen ausfüllen.
Diese können als lex mercatoria arbitralis bezeichnet werden, da sie im Ergebnis ein Spiegelbild der materiell-rechtlichen lex mercatoria sind. Beide Phänomene beruhen auf denselben Motiven und rechtlichen Rahmenbedingungen. Sie beinhalten einerseits konkrete Rechtssätze, bezeichnen andererseits gleichzeitig auch eine besondere Methode der Rechtsanwendung.
Die Angleichungstendenzen der Praxis werden anhand der Verfahrensabschnitte "einstweiliger Rechtsschutz" und "Sachverhaltsermittlung" herausgearbeitet. Die Ergebnisse der Untersuchung können dem international tätigen Praktiker Argumentationshilfen für Einzelfragen geben. Die Arbeit liefert darüber hinaus auch die dogmatischen Grundlagen für eine Erweiterung der Theorie der lex mercatoria auf verfahrensrechtliche Phänomene. Hierzu gehören die Selbstbezüglichkeit des Systems "Schiedsgerichtsbarkeit", welche die Entstehung eines Kryptopräjudiziensystems ermöglicht, und die Einräumung schiedsrichterlicher Autonomie durch eine abgestimmte Harmonisierung staatlichen Schiedsverfahrensrechts.
Die Erstellung der vorliegenden Arbeit wurde durch ein Promotionsstipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes gefördert.
(Table of content)
Vorwort
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
Abschnitt 1: Die rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit
A. Der Begriff der Internationalen Schiedsgerichtsbarkeit
B. Die Gründe für die Wahl eines Schiedsverfahrens für transnationale Rechtsstreitigkeiten
C. Die Institutionalisierung der Schiedsgerichtsbarkeit
D. Die Rechtsgrundlagen der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit
E. Schiedsverfahren als private Gerichtsbarkeit
Abschnitt 2: Die lex mercatoria materialis
A. Die Theorie der lex mercatoria materialis
B. Rechtsordnungsqualität der lex mercatoria
C. Die Beziehungen der lex mercatoria als Rechtsordnung zu den staatlichen Rechtsordnungen
D. Das verfahrensrechtliche Verständnis der lex mercatoria und strukturelle Transnationalität im materiellen Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit
Abschnitt 3: Sachverhaltsermittlung und einstweiliger Rechtsschutz im Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit
A. Die Ermittlung desSachverhaltes (Fact-Finding)
B. Einstweiliger Rechtsschutz und vorläufige Anordnungen während des Schiedsverfahrens (interim measures)
Abschnitt 4: Die Theorie der lex mercatoria arbitralis
A. Das rechtspolitische Bedürfnis nach einer lex mercatoria arbitralis
B. Die faktische Delokalisation des Schiedsverfahrens
C. Die Ausfüllung des Freiraumes infolge faktischer Delokalisation durch transnationale Rechtsstrukturen (lex mercatoria arbitralis)
D. Der Zusammenhang von lex mercatoria materialis und lex mercatoria arbitralis: Das autonome Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit
Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis