Description
(Text)
Hartmut Vollmers Studie ist einer literarischen Gattung gewidmet, die bislang kaum philologische Beachtung gefunden hat und als ein um 1900 sich ausprägendes und etablierendes Genre nun erstmals umfassend untersucht wird. Die Gründe für diese bisher fehlende oder unzureichende literaturwissenschaftliche Beachtung dürften primär aus einer scheinbaren definitorischen Paradoxie resultieren: aus dem offensichtlichen Widerspruch von Pantomime, einer bekanntermaßen stummen, sprachlosen Kunstform, und Literatur, unter der von und durch Sprache konstituierte Texte zu verstehen sind. Auffälligerweise treten in der deutschsprachigen Literatur ab den 1890er-Jahren jedoch zunehmend pantomimische Dichtungen in Erscheinung, die wie in der Untersuchung gezeigt wird einen wichtigen Beitrag im Entwicklungsprozess einer dezidiert sprachkritischen und mit traditionellen ästhetischen Formen brechenden und experimentierenden literarischen Moderne darstellen.
Anhand zahlreicher Analysen pantomimischerTexte von namhaften Autoren wie z.B. Hermann Bahr, Richard Beer-Hofmann, Richard Dehmel, Lion Feuchtwanger, Hugo von Hofmannsthal, Felix Salten, Paul Scheerbart, Arthur Schnitzler, Robert Walser und Frank Wedekind erweitert die Studie bedeutsam die Geschichte und das Spektrum der Literaturgattungen und erforscht grundlegend eine Terra incognita der Literaturwissenschaft.
(Table of content)
A. Einleitung
I. Vorbemerkungen .
II. Die Entwicklung der pantomimischen Kunst von der Antike bis zum 19. Jahrhundert Kurzer historischer Abriss
B. Die literarische Pantomime um 1900
I. Sprachkrise und Suche nach neuen ästhetischen Ausdrucksformen. Die Pantomime als Kunstgenre der Moderne
II. Überlegungen zu einer Theorie und zur Gattung der literarischen Pantomime
1. Die Pantomime zwischen Tanz und Sprechtheater. Hugo von Hofmannsthals Essay Über die Pantomime
2. Die versprachlichte Wortlosigkeit
III. Analysen literarischer Pantomimen
1. Das modernisierte Erbe der Commedia dell arte
a) Die Figur des Pierrot und der marionettenhafte Mensch
b) Hermann Bahr: Die Pantomime vom braven Manne
c) Richard Beer-Hofmann: Pierrot Hypnotiseur
d) Arthur Schnitzler: Der Schleier der Pierrette / Die Verwandlungen des Pierrot
e) Hugo von Hofmannsthal: Der Schüler
f) Karl von Levetzow: Pierrots Leben, Leiden und Himmelfahrt / Die beiden Pierrots
g) Lion Feuchtwanger: Pierrots Herrentraum
h) Louisemarie Schönborn: Der weiße Papagei
2. Phantastische und märchenhafte, mythische und mystische Pantomimen
a) Frank Wedekind: Die Flöhe oder Der Schmerzenstanz / Die Kaiserin von Neufundland / Bethel
b) Richard Dehmel: Lucifer
c) Paul Scheerbart: Kometentanz / Geheimnisse / Sophie
d) Robert Walser: Der Schuß
e) Hermann Bahr: Der liebe Augustin / Das schöne Mädchen / Der Minister
f) Max Mell: Die Tänzerin und die Marionette
g) Friedrich Freksa: Sumurûn Max Reinhardt, Grete Wiesenthal und die neue Pantomime
h) Hugo von Hofmannsthal: Amor und Psyche / Das fremde Mädchen / Die Biene / Die grüne Flöte
i) Karl Vollmoeller: Das Mirakel / Eine venezianische Nacht / Die Schießbude
j) Carl Einstein: Nuronihar
k) Felix Salten: Das lockende Licht
l) Carl Hauptmann: Eine Pantomime
m) Arthur Sakheim: Galante Pantomime
n) Richard Beer-Hofmann: Das goldene Pferd
IV. Die stumme Kunst und die Kunst des Schweigens . Die Pantomime und der Stummfilm
1. Affinitäten und Differenzen
2. Béla Balázs filmtheoretische Studie Der sichtbare Mensch und die proklamierte Rückwendung zur visuellen Kultur
3. Ludwig Rubiners Stück Der Aufstand als Exempel einer Kino-Pantomime
C. Ausblicke Schlussbemerkungen
Literaturverzeichnis
Personenregister