Description
(Text)
Sex und Essen sind sich sehr ähnlich, sie stillen ein sinnliches Verlangen. Und so wechselt Susan, Spitzenköchin mit einem Universitätsabschluss in Philosophie, ihren Beruf, aber nicht ihre Berufung: Aus Susan wird Anna, die Herrin. Sie wird Domina und begibt sich in eine Schattenwelt extremer Begierden, zwischen Ekstase und Schmerz, Normalität und Abweichung, Liebe und Lust, in ein Rollenspiel aus Macht und Unterwerfung. Nie darf sie die Kontrolle verlieren, nie echte Nähe zulassen. Eines Tages jedoch bricht sie das strengste Tabu ihrer Profession: Susan verliebt sich in einen Kunden ...
(Extract)
Es ist 11:25 Uhr, und ich sitze gerade auf Bernie und ersticke ihn. Ich trage einen schwarzen Gummirock, der aussieht wie das Tutu einer Ballerina, und in den Händen halte ich Zehn-Pence-Münzen, mit denen ich schnell über seine Nippel gleite. In sechsunddreißig Sekunden werde ich meine mit Gummi bekleidete Scham abrupt ein paar Zentimeter aus der sitzenden Position hochheben und zuhören, wie er keuchend nach Luft ringt. Neben Mozarts Klavierkonzert in E-Moll sind dies normalerweise die einzigen Geräusche in dem winzigen Raum. Heute jedoch kommen noch das nervtötende Surren eines ferngesteuerten Spielzeugautos und das Geschrei von Jungen auf einer ansonsten verschlafenen Vorortstraße hinzu. In der Spiegelwand sehe ich mein Spiegelbild. Links neben mir liegt eine Schere und rechts eine Uhr mit Sekundenzeiger. / Das Unbekannte ist ein Kontrollinstrument mit endlosen Möglichkeiten - und zum Teil auch der Grund, warum ich Bernie die Augen verbinde. Natürlich weiß er, was kommt, aber er weiß nie genau, wann es kommt. Er kann sich nicht vorbereiten, nicht tief Luft holen, wenn ich plötzlich aus einer hockenden Position mein volles Gewicht auf seinen Mund und seine Nase sinken lasse. Bernie hat mir meinen Stil nie vorgeschrieben und hat sich auch zu seiner Wirkung nie geäußert. Ich bin diejenige, die sich vorstellt, dass das Unbekannte das Gefühl des Erstickens noch beängstigender und aufregender macht. / Du kannst mich nicht sehen, Bernie, aber ich sehe dich: Du liegst nackt auf dem Boden, gefesselt und mit verbundenen Augen. Ich kenne deine Füße und deine Hände; ich weiß, wie zart und elfenhaft sie sind. Ich kenne die Muster der dunklen Haare auf deinem Körper, deinen Brustkorb und deine kleine, gedrungene Gestalt auswendig. Beinahe bewundere ich die Krümmung und Muskeldefinition deiner Yoga-Waden. Im Lauf der Jahreszeiten habe ich die Ränder deiner Bräune kommen und gehen sehen, habe beobachtet, wie deine Haare wachsen, und immer gemerkt, wenn du beim Friseurgewesen warst. / Bernie ist Single, Jude und für Ende vierzig gut in Form. Er hat einen kleinen, spitzen Kopf, tiefliegende, durchdringende Augen und eine sehr hohe Stirn. Er unterrichtet Physik, ist Football-Schiedsrichter und macht Yoga. Er hat eine spielerische, koboldhafte Ader und will unbedingt immer gewinnen. Aus den Geschichten, die er mir erzählt hat, wenn er sich die Hose wieder anzieht, habe ich entnommen, dass er sich in der Gesellschaft von Frauen noch nie wohlgefühlt hat. Und nicht nur von Frauen; er scheint auch seine Kollegen zu meiden, alle, bis auf seine besten Schüler und gewisse Autoritätspersonen. Bernie hält sich für klug, sogar für brillant. Ich glaube, er sieht sich als scharfsinnigen Märtyrer, der sein ganzes Leben lang unter dem Gewicht von Narren und mittelmäßigen Leuten fast erstickt ist. Er zögert seinen Aufbruch bei mir immer ein bisschen hinaus; er will nie gehen. Er zieht sich sehr langsam an und redet mit der raschen Unbesonnenheit eines posttraumatischen, postorgasmischen einsamen Mannes. / Ich ersticke Bernie, aber ich bin keine Sadistin. Wenn es um Lust geht, ist Geben meiner Meinung nach die stärkste Quelle der Macht. / Bernies Körper ist mit sieben Seilen gefesselt. Er darf sich nicht bewegen können, aber es soll auch nicht zu unbequem sein. Scheuerstellen von den Stricken sind unangenehm und können peinlich sein. Zwar sind wir dabei, ein tödliches Spiel zu spielen, aber prickelnde Zehen, taube Gliedmaßen und alarmierende dunkelrote Stellen sind Gefahren, die man vermeiden kann und sollte. Das Vorspiel, ihn zu fesseln, ist eher Kür und Spaß als das, was darauf folgt, und weil ich das weiß, lasse ich mir Zeit dabei. Konzentriert gebe ich mich der Aufgabe hin, ein sicheres, raffiniertes Netz um ihn zu spinnen. Obwohl ich improvisiere, lasse ich mich von Symmetrie leiten. Dabei lege ich meine Rolle der Kalten, Eisigen ab und frage ihn, ob der Strick am Schenkel oder am Handgelenk zu stramm ist.
