Description
(Short description)
Die isländische Prosa-Edda lieferte jungen Dichter_innen im Hochmittelalter einen systematischen Überblick über die sog. nordische Mythologie. Ab dem 17. Jh. bezeugen eine erste dreisprachige Edition und zahlreiche Abschriften auf Papier ihre seitdem stetig angewachsene Popularität. Für einige dieser Papierhandschriften wurden erstmals umfangreiche Bildergalerien von Gött:innen wie Thor, Loki und Freyja und deren Mythen erstellt, die bis heute faszinieren. Dieser Band argumentiert wie - und warum - dieses Werk der Frühen Neuzeit als "Snorra-Edda" popularisiert und für das isländische kulturelle Gedächtnis als Beleg einer mittelalterlichen Kulturblüte Islands funktionalisiert wurde.
(Text)
In diesem Band stehen Prozesse des Neuschreibens und der Rezeption der Prosa-Edda im 17. und 18 Jahrhundert in Island im Zentrum. Dafür werden erstmals vier besonders herausragende isländische Papierhandschriften umfassend analysiert. Die Schwerpunkte der Untersuchung gehen über den Wortlaut der Prosa-Edda hinaus und schließen markante Merkmale der Handschriften - Prologe, Illuminationen, Titelseiten und Schriftbild - mit ein. Dabei wird deutlich, dass Neuschreiben und Rezeption ineinandergreifen: Genauso wie in den mittelalterlichen Handschriften wird die Prosa-Edda in jeder frühneuzeitlichen Abschrift für das jeweilige Zielpublikum verändert und neu angepasst. Die Studie weist nach, dass die Handschriften keineswegs nur von Gebildeten, sondern in allen sozialen Schichten gelesen wurden. Gleichzeitig wird die Prosa-Edda in diesen Handschriften medial unter anderem in Rückgriff auf Traditionen des Buchdrucks als "Snorra-Edda" inszeniert und als isländisches Literaturerbe in Zusammenhang mit den Bestrebungen nach nationaler Unabhängigkeit gestellt. So wurde sie bereits damals in den isländischen Literaturkanon integriert, wo sie sich bis heute befindet.
(Table of content)
Vorwort1. Einleitung1.1 Fragestellung1.2 Auswahl der Handschriften1.3 Aufbau1.4 Hinweise2. Methodologische Überlegungen2.1 Textbegriff und Neuschreiben2.2 Rezeption3. Kontext der Handschriften3.1 Kulturhistorische Einführung3.2 Die Prosa-Edda durch die Jahrhunderte: Handschriften und Drucke4. Handschriftenportraits4.1 AM 738 4to (Langa Edda) 4.2 NKS 1867 4to4.3 ÍB 299 4to4.4 SÁM 66 (Melsteds-Edda)5. Neuschreiben5.1 Prologe und Rahmung5.2 Titelseiten5.3 Seitengestaltung und Schriftbild5.4 Illuminationen5.5 Fallstudien5.6 Neuschreiben: Zwischenresümee6. Rezeption6.1 Die Prosa-Edda und das kulturelle Gedächtnis6.2 Vergangenheitskonzeptionen und eine ,Renaissance' der Prosa-Edda7. Schlussbetrachtung und Ausblick8. Appendix8.1 AM 738 4to8.2 NKS 1867 4to8.3 ÍB 299 4to8.4 SÁM 668.5 TranskriptionenAbbildungsnachweisHandschriftenverzeichnisLiteraturverzeichnis
(Author portrait)
Friederike Richter studierte Skandinavistik und Kunstgeschichte in Berlin und Kopenhagen und promovierte an der Unversität Zürich. Sie forscht und lehrt an der Humboldt-Universität zu Berlin.