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Description
(Text)
Erinnerung ist nichts Natürliches. Was wir erinnern, ist abhängig von sozialen Bedingungen und Einflüssen. Zugleich hat die Erinnerung politische Folgen und Funktionen. Deswegen sind Gedächtnis und Erinnerung zum Gegenstand gezielten politischen Handelns geworden.Gedächtnispolitik spielt vor allem bei Umbrüchen und politischem Neubeginn, also nach Revolutionen, Kriegen und Bürgerkriegen eine große Rolle. Die neue politische Ordnung kann sich dadurch legitimieren, dass sie sich von ihrem Vorgänger abgrenzt. Das kann gedächtnispolitisch durch ganz entgegengesetzte Strategien erreicht werden: entweder durch Vergessen und Vergeben oder durch Erinnern und Bestrafen.Das Buch geht von dieser Beobachtung aus und behandelt im ersten Teil in systematischer Perspektive die Frage nach dem Verhältnis von Politik, Gedächtnis und Vergangenheit. Im zweiten Teil präsentiert es vier historische Fallstudien, die von der Zeit des Alten Testaments bis in die Gegenwart der Bundesrepublik reichen. - Der erste Teil des Buches fragt nach den sozialen Bedingungen, der zweite nach den sozialen und politischen Wirkungen des Gedächtnisses.
(Extract)
"In der Geschichte der Politik ist das Gedächtnis seit jeher ein heftig umkämpftes Terrain. Zur Analyse politischer Systeme und politischen Handelns gehört deswegen die Gedächtnisdimension unabdingbar hinzu. In ihr geht es um die politische Bedeutung des Gedächtnisses und um die Möglichkeit der Instrumentalisierung von Erinnerungen an vergangene Ereignisse für politische Zwecke. Das Ziel der Gedächtnispolitik besteht in der Herstellung und Stabilisierung der Legitimität politischer Ordnungen und politischen Handelns. Der Bezug auf die Vergangenheit ist eine gut nutzbare Ressource für die Gewinnung und Erhaltung von Glaubwürdigkeit und Unterstützung. Das gilt für alle politischen Ordnungen gleichermaßen,
für Nationen, Reiche, Republiken. Es gilt aber auch für die einzelnen politischen Akteure innerhalb dieser Ordnungen, die sich durch den Bezug auf die Vergangenheit profilieren und dadurch Vorteile im Kampf um die Diskurshegemonie verschaffen können. Erinnerungs- und Gedächtnisfragen sind in den letzten 25 Jahren zu zentralen Themen von Kulturwissenschaft und life science geworden. Im mainstream der Politikwissenschaft spielt das Gedächtnisthema dagegen kaum eine Rolle. Das hat mit dem vorherrschenden Politikbegriff zu tun, der sich funktionalistisch auf die Herstellung kollektiv verbindlicher Entscheidungen bezieht und deswegen die sog. Politikfeld-Studien favorisiert. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wird aber deutlich, dass sich die sozialintegrativen Aufgaben der Gründung und Aufrechterhaltung
von politischer Ordnung, der Schutz kollektiver Identitäten und gemeinsamer Überlieferungen und die Herstellung und Bewahrung von Gemeinsamkeiten und Verpflichtungen keineswegs von selbst verstehen und auch in funktional hoch differenzierten Gesellschaften eigener Aufmerksamkeit und Pflege bedürfen. In diesem Zusammenhang gewinnt das Gedächtnisthema politisch eineneue Relevanz. Der erste Teil des Buches knüpft an die jüngeren kulturwissenschaftlichen
Gedächtnisdiskussionen an und erörtert zunächst die Frage nach der politischen Funktion des Vergessens und Erinnerns. Daran schließt sich die Frage an, ob und wie und in welchem Ausmaß die Gedächtnisleistungen von gesellschaftlichen Bedingungen abhängig sind."