Description
(Short description)
Franz Kafkas Aphorismen, seine"Betrachtungen über Sünde, Leid, Hoffnung und den wahren Weg", von Germanistik und Philosophie unverständlicherweise vernachlässigt, sind der geheime Schlüssel zu Leben und Werk des großen Dichters. In ihnen spricht er aus, was viele in dieser verwirrenden Zeit empfinden.
(Text)
Überarbeitung und geringfügige Veränderungen im Text der 1. Auflage durch den Autor.
(Table of content)
Einführung
1 Der wahre Weg geht über ein Seil ...
2 Alle menschlichen Fehler ...
3 Es gibt zwei menschliche Hauptsünden ...
4 Viele Schatten der Abgeschiedenen ...
16 Der Käfig ging einen Vogel suchen ...
35 Es gibt kein Haben, nur ein Sein ...
39a Dem Bösen kann man nicht in Raten zahlen ...
46 Das Wort sein ...
106 Die Demut gibt jedem ...
109 Das es uns an Glauben fehle ...
(Extract)
Der wahre Weg geht über ein Seil, das nicht in der Höhe gespannt ist, sondern knapp über dem Boden. Es scheint mehr bestimmt stolpern zu machen, als begangen zu werden.
Geradezu verlockend wäre der Weg, wenn er etwas Bedeutendes, Seltenes darstellt in den Augen der Menschenund hoch oben vor ihren bewundernden Blicken sich vollzöge; wenn die neue geheimnisvolle Wirklichkeit, die zu finden der Mensch ausgezogen ist, sich ihm als elastisch tragende Unterlage an den Fuß schmiegen würde; wenn der Mensch in jedem Augenblick und bei jedem Ereignis wüsste: Dies ist die Herausforderung, die Prüfung, hier muss ich mich bewähren; wenn ein Absturz und Scheitern ihm den Ruhm eines heldemütigen Märtyrers einbrächte, dessen Herz sich dem Anruf nicht entziehen konnte, aber an der Ungunst der Verhältnisse und der Schwerkraftwirkung zerbrach.
Viele beginnen ihren Weg in dieser Meinung und glauben, sie wären auf dem Weg zur neuen Wirklichkeit, wenn sich alles so abspielt, wie sie es erwarten.Doch die neue Wirklichkeit ist anders. (S.31)[...]Niemals vermag der Mensch das Ziel dieses Weges überhaupt klar ins Auge zu fassen; denn es entzieht sich dem Fasssungsvermögen des Bewusstseins. Stets wird er von Unvorhergesehenem überrascht, und die Prüfungen bestehen gerade in denjenigen Kleinigkeiten und alltäglichen Situationen, die er als zu trivial übersieht, bei denen er sich gar nicht bewusst wird, dass sie die Herausforderung sein könnten. Seine Fähigkeiten, auf die er so stolz ist und die er so gern einsetzt, nützen ihm nichts, er kommt duch sie nicht voran. Die neue Wirklichkeit zeigt sich darin, dass sie sich allen hochgestimmten Erwartungen gegenüber querlegt - und glücklich derjenige, der überhaupt zu stolpern vermag (viele umgehen das Seil mit instinktiver Geschicklichkeit) und dem das Stolpern tatsächlich zum Anlass wird einer anderen Realität Aufmerksamkeit zu schenken. (S.32)



