Description
(Text)
Die kurze Ära der Weimarer Republik war gekennzeichnet von einer tiefen Diskrepanz der Justiz zwischen verfassungsrechtlich gebotener Unabhängigkeit und einer weit verbreiteten Sympathie zahlreicher Richter und Staatsanwälte mit der vorherigen Monarchie. In der Rechtspraxis wirkte sich dieser Zwiespalt in einer Reihe von (Fehl-) Urteilen aus. Viele zeitgenössische Schriftsteller thematisierten diese Entwicklung in ihren rechtsskeptischen Texten.
Reiner Scheel untersucht die justizkritischen Aspekte von vier deutschsprachigen Romanen, die allesamt zwischen 1927 und 1930 veröffentlicht wurden.
Am Beispiel von Arnold Zweigs Der Streit um den Sergeanten Grischa, Jakob Wassermanns Der Fall Maurizius, Lion Feuchtwangers Erfolg und Robert Musils Der Mann ohne Eigenschaften werden Grundzüge und thematische Vielfalt der literarischen Justizkritik aufgezeigt, im Zentrum des Interesses steht aber vor allem das diesen Texten zugrunde liegende spezifische Rechtsverständnis.
In die Textanalysewerden regelmäßig Rechtsvorschriften aus dem Völker-, Verfassungs-, Straf- und Strafprozessrecht einbezogen. Neben diversen rechtshistorischen und rechtssoziologischen Aspekten werden die zeitgenössischen rechtsphilosophischen Diskurse thematisiert, soweit sich die Romane auf selbige beziehen. Eine Fülle neuer Hinweise auf intertextuelle Bezüge zur deutschen und internationalen Literatur und Philosophie rundet diese höchst innovative Untersuchung ab.



