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Description
(Text)
Diese in der Tradition der amerikanischen Short Story stehenden Geschichten sind Lesefutter von einer Suggestionskraft, überbordenden Phantasie und spröden Poesie, wie man es selten oder gar nicht hat. Mit ihren fast immer skurrilen Handlungen, die voll tragikkomischer Situationen, scharfer Schnitte und unerwarteter Wendungen sind, durch das ständige Spiel mit der Fiktion in der Fiktion, das dem Leser nicht selten zwischenzeitlich fast unlösbare Rätsel aufgibt, üben sie einen Sog aus, dem man sich schwer entziehen kann. Der Autor springt durch Länder und Zeiten, immer wieder wird der Leser aus der Handlung gerissen in eine Wirklichkeit, die die Fiktion als solche entlarvt, aber dann wieder einen unerwarteten Fortgang nimmt.
Es wimmelt von seltsamen Gestalten, die manchmal der Wirklichkeit, ein anderes Mal der Märchen- und Fabelwelt entsprungen sind, die lebendig gewordenes Spielzeug, Comic-Figuren, komische Tiere mit menschlichen Verhaltensweisen oder Menschen, die sich tierisch benehmen, die Zwerge, Monster und Ratten, auch Götter sind. Wenn es analog zur World Music auch World Storys gäbe, dann wäre das vielleicht ein treffender Gattungsname für das breite Spektrum diese Texte, die in Amerika, Amsterdam, im Weltraum, überall und nirgendwo, in der Zukunft oder Vergangenheit spielen oder gar zeitlos sind. Das ist Stoff, aus dem die Träume sind, nicht selten allerdings die Albträume.
(Extract)
Kalte, sternklare Nacht. Der Vollmond sendet sein weiches Licht und verwandelt die steinerne Stadt für die Länge einer Stunde in eine Metropole des Vergangenen. Charlie Reevers ist schon aufgestanden und schüttelt mit ein paar kurzen Bewegungen bröcklige, braune Erde von seinem Jackett. Die Tür zu seinem marmornen Palast lehnt an einem Baum, im Schein von Vater Mond formen sich eingravierte Zeichen zu einer kurzen Botschaft: Charles Reevers 1819 1887
Der alte Charlie schüttelt noch einmal sorgfältig die Knie, nun ist er mit der Reinigung fertig. Freundlich hebt er die Knochenhand, als er die Morganzwillinge sieht. Die Mädchen kichern mit hoher Stimme, dann nehmen sie ihr Wurfspiel wieder auf. Margret fängt den kahlen Schädel, den ihr Elisa zuwirft, mit der natürlichen Eleganz der Neunjährigen, und schon sind die beiden hinter einer Grabsäule verschwunden. Das Herbstwetter ist erfreulich mild, nur ein leichter Wind treibt ab und an einige lose, vergilbte Blätter durch die Totenstadt.
Charlie streckt ein wenig die morschen Glieder, renkt mit einem kurzen, trockenen Knacken den einen oder anderen Knochen wieder ein und entfernt einen vorwitzigen Pinienzweig aus der Dunkelheit seiner rechten Augenhöhle. Er freut sich auf das mitternächtliche Pokerspiel mit seinen Freunden Bill und Tim. Bill war in seinem ersten Leben ein erfolgreicher Geschäftsmann mit vielen Kontakten ins Ausland gewesen. Er hatte seine Frau auf Dienstreisen nach Strich und Faden betrogen, bis er eines Tages an einen eifersüchtigen Nebenbuhler geriet. Mona, seine damalige Geliebte, hatte ihm verschwiegen, dass sie noch einen zweiten Liebhaber besaß. Der Rivale hatte arabische Vorfahren und vermutlich war unter ihnen auch ein Scharfrichter, denn nur so war die theatralische Art, mit der er seinen Konkurrenten umbrachte, zu erklären. Bills Frau versuchte nach Kräften den drohenden Skandal zu vermeiden. Sie einigte sich schließlich mit dem Mörder ihres Gatten, und auf ihrer gemeinsamen Hochzeitsreise vergab sie ihm vollständig. Schließlich bekam Bill ein Begräbnis erster Klasse, es hieß offiziell, er habe sich aus finanziellen Gründen erhängt, aber jeder in Nekropolis weiß, dass das nicht stimmen kann Bill muss seinen Kopf unter dem Arm tragen.
