Die Krise als eine schöne Kunst betrachtet : Essay (2020. 180 S. 21 cm)

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Die Krise als eine schöne Kunst betrachtet : Essay (2020. 180 S. 21 cm)

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  • 製本 Paperback:紙装版/ペーパーバック版
  • 商品コード 9783854495345

Description


(Text)
In der Krise verliert die Grundannahme, das wir mit den anderen in derselben Welt leben, ihre Geltung. Die Ränder des für andere Nachvollziehbaren werden erkennbar, zunehmend versagen die etablierten Erklärungsmuster. Entsprechend ist der Modus, wie Geschehnisse und das eigene Handeln ins Bewusstsein dringen, nicht länger derjenige der Reflexion, sondern vielmehr derjenige der Halluzination. Die Welt kommt einem entgegen, ob man will oder nicht. In der Krise ist die Erforschung der dann statthabenden Mechanismen, die das Verhalten genauso bestimmen wie die Logik des Denkens, mit den Mitteln der Psychologie - also von außen - nicht möglich, sondern nur von innen, als ein notwendiges und dennoch unvermeidbares Verkennen, im Selbstversuch.
Confurius' Untersuchung geht davon aus, dass die vereinzelten Individuen unserer Gegenwart auf zumindest zweifache Weise krisenhaft leben: Einerseits sind sie inbegriffen in einen kollektiven Zustand der Krise, der ihre Selbstverkennung bewirkt, andererseits verschärft ein zusehends verschlanktes Sozialsystem die Chancen, diesen Zustand zu überwinden. So sind die Individuen auf doppelte Weise von sich selbst getrennt und in einem falschen Welt- und Selbstbild gefangen. Dennoch sind die zentralen Deutungsmuster und Narrative, die die Krise aktuell - von der Ökonomie bis zur Psychotherapie - umlagern, von fehlerhaften Denkzwängen bestimmt. Die Feinmechanik dieser Maschinerie des Betrugs und Selbstbetrugs zu erhellen, ist der Gegenstand dieses Essays.
(Extract)
"Man hat mir meine Krise gestohlen. Ich fühle mich enteignet, und ich habe den Wunsch, mir meine Geschichte zurückzuholen. Ich kann mich in den Zuschreibungen und Diagnosen, den Anklagen und Unterstellungen nicht wiedererkennen, habe ihnen aber zunächst nichts entgegenzusetzen. Nicht nur weil die selbstgewissen Interpreten mit einer Einmütigkeit auftreten, als hätten sie sich untereinander abgesprochen, sondern auch weil die Standard-Deutungen zu dem symbolischen Universum gehören, in das auch ich hineingewachsen bin. Mein vorläufig einziges Gegenargument besteht in den Zweifeln, die ich an den selbstgewissen Deutungen hege und darin, dass ich mir selbst ein Rätsel bin. Ob ich damit näher an der Wahrheit bin, als mit allem, was allgemein als lesbar gilt, wird sich vielleicht nie erweisen. Vorläufig fühle ich mich durch ein Double ersetzt, durch ein konstruiertes Monster.
'Nie ist eindeutig zu entscheiden', so Roland Barthes, 'ob sich in der sprachlichen Formulierung der Gedanke und das tatsächliche Erleben abbildet, oder ob die Sprache mir etwas aufnötigt, dem ich mich aufgrund nachlassender Konzentration nicht entziehen kann. Findet das Subjekt in einem Satz seinen Ort, oder findet es sich an einem falschen Ort, der ihm von der Sprache aufgedrängt wurde? In jeder Sprachfigur steckt etwas von verbaler Halluzination oder von Gehirnwäsche.'
Ich maße mir nicht an zu wissen, wie es anderen ergangen ist. Ich will, indem ich von meinen persönlichen Erfahrungen ausgehe, nur für mich sprechen. Vieles deutet mir aber darauf hin, dass die persönliche Krise ein Ort ist, von dem aus Kritik an den Verhältnissen möglich ist, vielleicht sogar der einzig verbliebene. Darum halte ich es für denkbar, gerade indem ich im eigenen Namen rede, als Parrhesiast, Allgemeingültiges zu protokollieren."
(Author portrait)
Confurius, Gerrit
Gerrit Confurius, geboren 1946 in Lübeck, studierte u. a. Germanistik in Hamburg, Wien und München. Nach einer Tätigkeit als Lektor bei »Greno« war er Redakteur der »Bauwelt«; dann Chefredakteur von »Daidalos.« Seit 2000 freier Autor, ansässig in Berlin. Veröffentlichungen: »Sabbioneta oder die schöne Kunst der Stadtgründung.« Hanser Verlag, München 1983. »Der Pinocchio-Effekt. Vom Eigensinn des Ich in einer verkehrten Welt.« Sonderzahl Verlag, Wien 2009. »Ichzwang.« Matthes & Seitz, Berlin 2011.

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