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Description
(Text)
Erzählen bedeutet unterwegs sein. Die in »Levins Abschied« versammelten Erzählungen und Prosaimpressionen bewegen sich zwischen Zeiten und Stimmungen, Orten und Standpunkten. Geographisch - und in ihren zahlreichen literarischen Anspielungen - eröffnen die Texte ein schillerndes europäisches Panorama, von Paris über Wien nach Lissabon und Mailand, mit Ausfluchten nach Tokyo und Ägypten.Görners Erzähler sind Suchende und Süchtige. Sie suchen nach einem Du, das sie von ihren Einsamkeiten oder Selbstenthüllungen wegbringen kann; süchtig sind sie nach neuen Eindrücken, von denen sie zehren in einer Welt voller Vergeblichkeiten. Einem solchen Streben ist das Scheitern eingeschrieben - bei Görner wohnt dem Scheitern aber stets etwas Skurriles und Heiter-Ironisches inne. Levins Abschied spannt einen Bogen verschiedener Erzähl- und Schreibweisen auf: ins Epische ausholende Geschichten genauso wie Ausschnitte, Bilder, Phantasien. Dabei geht Rüdiger Görner aufs Ganze: sprachlich mit einerProsa von großer sprachlicher und atmosphärischer Dichte, thematisch mit dem Sehnsuchtsort Schönheit. Die Schönheit wird zwar von der menschlichen Unzulänglichkeit untergraben, aber sie bleibt unser Triebmittel in Kunst und Leben.
(Extract)
»Schongauer sagte von sich, er lebe vereinzelt.« Das sei jetzt auch wieder so ein Satz, meinte Sharon, meine Lektorin, die sich nur Sharon nannte, aber aus einer niederrheinischen Gegend stammte, in der niemand auf die Idee käme, seine Tochter Sharon zu nennen. Sharon nannte sich Sharon, seit sie sich in Sharon Stone vernarrt hatte. Dergleichen kommt unter leidenschaftlichen Kinogängern vor. Übrigens beließ sie ihren Nachnamen, Stoffer, im Dunkeln. Er blieb einfach unerwähnt. Auch wenn sie sich Fremden vorstellte nannte sie sich nur Sharon. »Schongauer sagte von sich, er lebe vereinzelt« - das gehe nun ganz und gar nicht, keinesfalls als erster Satz einer Erzählung, die sich sogar in einen Roman auswachsen könnte. Denn wie könne man so etwas in eine andere Sprache übersetzen, fragte mich Sharon mit irritiertem Blick, der etwas Aufreizendes hatte. Im Englischen ginge das ohnehin nicht. Allein schon der Name Schongauer. Sharon war besessen von der Idee, dass jeder von ihr lektorierte Text grundsätzlich übersetzbar sein sollte. Auch das ging auf die Zeit zurück, als sie ihren ursprünglichen Namen in Sharon übersetzte, obwohl es dafür keinen Anhaltspunkt gab. »Einen Text weltfähig machen«, so nannte sie diese Art des Bearbeitens. Was ich mir nur dabei gedacht habe einen Text auf diese Weise beginnen zu lassen. Man kann nichts für seine Sätze, erwiderte ich etwas halbherzig, in die Defensive gedrängt. Was das überhaupt heiße, »vereinzelt« leben. Das erklärten die folgenden Sätze, sagte ich. Eben nicht, konterte sie. Dabei stieß sie ihren Rollsessel vom Schreibtisch, wandte sich mir zu und saß vor mir wie Sharon Stone beim Verhör in ihrem notorischsten Film, nur dass die lektorierende Sharon Jeans trug. So gehe das einfach nicht. Sie klang geradezu aufgebracht. Sie könne sich mit mir keinen Flop leisten. Das letzte Buch sei zwar ein Achtungserfolg gewesen, immerhin, und über die Übersetzungsrechte werde verhandelt - mit koreanischen, portugiesischen und japanischen Agenturen. Aber mein Achtungserfolg sei nur der Tatsache zuzuschreiben, dass ich mich damals an ihren Rat gehalten und den »plot« in New York und Shanghai angesiedelt habe. Man brauche einfach Weltbezüge, zumindest Andeutungen von Kriminalität, ungewöhnliche Bettszenen, fremdes Lokalkolorit, das notfalls mit Wikipedia-Einträgen zu spielen verstehe, eiferte sie. So etwas lasse sich übersetzen. Auch in Filmskripte. Aber »Schongauer sagte von sich, er lebe vereinzelt« - das sei einfach hoffnungslos.