Invasionen des Privaten (Droschl Essay 63) (2. Aufl. 2011. 112 S. 17.5 cm)

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Invasionen des Privaten (Droschl Essay 63) (2. Aufl. 2011. 112 S. 17.5 cm)

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  • 製本 Paperback:紙装版/ペーパーバック版
  • 商品コード 9783854207818

Description


(Text)
Nach Grönland fahren, um sich selbst zu finden? In den Inuit, den Ureinwohnern dieses Landes, die Paradigmen der eigenen Existenz entdecken? Genau das beschreibt Anna Kim in ihrem Bericht über diese polare Insel, deren landschaftliche Schönheiten so weit weg sind von allem, was die Touristik uns als schön anpreist: die Kargheit, die Leere, die Farben und Formen von Eis, Schnee und Wasser.Anna Kim blättert die Kolonialgeschichte dieses Landes auf, eine Kolonialgeschichte, die so unerbittlich und so erniedrigend für seine Bewohner ablief wie jede andere koloniale Geschichte auf der Erde und die zu extrem beschädigten Identitäten führte und zu einem, bevölkerungspolitisch gesehen, großen Anteil an dänisch-grönländischen 'Mischlingen' - eine Mischkultur, die unter Zwang und unter großen Verlusten zustande kam. Was es bedeutet, hier Dänisch oder Grönländisch zu sprechen, was es bedeutet, anders auszusehen, als Teil welcher der beiden Kulturen man durchgeht oder eben nicht, welcher Preis an Geborgenheit bzw. Fremdheit zu bezahlen ist, wenn man sich in die Identitäts-Maschinerie von Einschluss/Ausschluss begibt - das zeigt Anna Kim, die in Südkorea geborene österreichische deutschsprachige Schriftstellerin, auf beklemmende Weise anhand von Beobachtungen und Gesprächen auf, die sie in Nuuk, der Hauptstadt Grönlands, führte.Und noch etwas rückt dieser wichtige Essay zurecht: dass Reisen auch das Ventil für die Sehnsucht sein kann, als eine existenziell Fremde endlich in adäquater Umgebung zu sein, endlich mit Fug und Recht fremd zu sein, freiwillig.
(Extract)
Ich, die Natur gegenüber immer misstrauisch war, argwöhnisch, bin plötzlich süchtig nach ihr, süchtig danach, mich in ihr zu bewegen, sie zu riechen, zu spüren, anzugreifen. Am nächsten Tag mache ich einen Ausflug mit dem Hundeschlitten, wir fahren mit Johanne, der Hundeschlittenführerin, eine der wenigen Frauen in Grönland, die vollberuflich jagen, Rentiere und Moschusochsen, aber auch Robben. Zuvor werde ich in eine Robbenfelljacke und -hose gepackt, ich trage eine Robbenfellkapuze und Handschuhe aus Rentierfell, nur mein Gesicht ist dem Wind ausgesetzt, und wann immer ich in Fahrtrichtung sehe, spüre ich, wie sich die Kälte, minus fünfundzwanzig Grad, durch die Fellkleidung beißt und meine Wangen taub werden. Johanne führt ihre Hunde mit Rufen und einer Peitsche, die sie hin und wieder gegen den Boden knallt, die Hunde gehorchen sofort. Wir fahren auf dem zugefrorenen Watson, der auf ein Flussbett zusammengeschrumpft ist, und während das Eis um mich herum knirscht und knackt, sich Risse bilden und ich mir vorstelle, wie es ist, im eiskalten Wasser in der Robbenfellkleidung, die ganz wenig, dafür beständig nach Robbe riecht, herumzupaddeln, ziehen die Berge und Ebenen langsam an uns vorbei und haben mit dem, was ich unter Welt verstehe und wie sie mir beigebracht worden ist, nichts zu tun. Alle Regeln, die ich gelernt habe, sind hier obsolet, ich müsste alles neu lernen, um in dieser Umgebung überleben zu können, und doch scheint sie so freundlich, dass ich versucht bin, in der Wildnis verloren zu gehen, für immer in die Einsamkeit zu tauchen, wie Qivitoq, der Bergwanderer, der den Kreislauf des Lebens verletzte, indem er spurlos verschwand und seine Verwandten nicht wussten, ob er noch lebte oder schon gestorben war ... Man erzählte sich von ihm, dass er jede Nacht starb, aber am Morgen wieder lebendig wurde, Einsamkeit war sein Schatten, Einsamkeit und Erkenntnis: All true wisdom only exists/Far from human beings/In the great loneliness, soll der Schamane Igjugarjuk Knud Rasmussen erklärt haben. In dieser Stille werden Lieder geboren, sie werden in der Seele erschaffen und steigen vom Grund des Meeres auf, wie Wasserblasen, die an die Oberfläche schwimmen und zerplatzen, dies sagen die Ältesten, und es ist wahr, die Stille ist ein Speicher für all die Wörter, die ich übersah, und es wird mir bewusst, dass diese Einsamkeit, diese Isolation die Bedingung für eine Freiheit ist -die ertastbar, greifbar ist: auf der Straße, in den Bergen, in den Flüssen, Seen und Fjorden. Freiheit in Grönland ist kein Konzept, keine Idee, keine philosophische Theorie, sondern Realität. Freiheit in Grönland kann man atmen, man kann sie riechen, angreifen, sie ist so real, wie Freiheit nur sein kann. Und mit dem Gefühl von grenzenloser Freiheit fühle ich etwas, das ich ebenfalls nur als etwas Flüchtiges kenne, das aber hier länger anhält, Stunden, manchmal sogar Tage - Glück

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