Description
(Short description)
Seit 2001 können in Deutschland die Urnen von Verstorbenen in ausgewiesenen Wäldern im Bereich der Baumwurzel beigeSetzt werden; der Baum dient gleichzeitig als Grabmal. Seit dem Vermarktungsstart der Friedwald-Idee wird die Baumwurzelbestattung kontrovers diskutiert. Dennoch entscheiden sich immer mehr Menschen für ein Baumgrab im Wald. Warum ist das so? Verfällt die traditionelle Bestattungskultur? Verliert ein fester Ort der Trauer und Erinnerung an Bedeutung? Lässt der Baum vielleicht - als Sinnbild für Beständigkeit - die Vorstellungen vom eigenen Tod erträglicher erscheinen? Entspringt die steigende Nachfrage einer wachsenden Natursehnsucht? Oder sind es letztlich doch pragmatische Gründe, wie die entfallende Grabpflege, einen Baum im Wald einem Friedhofsgrab vorzuziehen?Stefanie Rüter lässt in dieser kulturwissenschaftlichen Studie insbesondere diejenigen Menschen zu Wort kommen, die bereits einen Angehörigen im Friedwald beigeSetzt oder einen Baum für sich erworben haben.
(Text)
"Die Bestattung in der Natur", "Unter allen Wipfeln ist Ruh". Mit derartigen Formeln werben zwei konkurrierende Dienstleistungsunternehmen (FriedWald® und Ruheforst®) für eine neue Form der Bestattung: Seit 2001 können in Deutschland die Urnen von Verstorbenen in ausgewiesenen Wäldern im Bereich der Baumwurzel beigeSetzt werden; der Baum dient gleichzeitig als Grabmal. Seit dem Vermarktungsstart der Friedwald-Idee wird die Baumwurzelbestattung kontrovers diskutiert. Dennoch entscheiden sich immer mehr Menschen für ein Baumgrab im Wald. Warum ist das so? Verfällt die traditionelle Bestattungskultur? Verliert ein fester Ort der Trauer und Erinnerung an Bedeutung? Lässt der Baum vielleicht - als Sinnbild für Beständigkeit - die Vorstellungen vom eigenen Tod erträglicher erscheinen? Entspringt die steigende Nachfrage einer wachsenden Natursehnsucht? Oder sind es letztlich doch pragmatische Gründe, wie die entfallende Grabpflege, einen Baum im Wald einem Friedhofsgrab vorzuziehen?Nacheiner intensiven Analyse der Institution FriedWald und dem dahinter stehenden Konzept lässt Stefanie Rüter in dieser kulturwissenschaftlichen Studie insbesondere diejenigen Menschen zu Wort kommen, die bereits einen Angehörigen im Friedwald beigeSetzt oder einen Baum für sich erworben haben. Denn es sind eben die hinter unserem Handeln stehenden Vorstellungen, Bilder, Wünsche und Gefühle, die erhellende Rückschlüsse auf gegenwärtige gesellschaftliche Befindlichkeiten zulassen und damit nicht zuletzt die kulturwissenschaftliche Gegenwartsforschung so spannend machen.
(Review)
Alle Befragten bevorzugen als Grabstätte einen Platz in einem Laubwald, möglichst in der Nähe eines plätschernden Baches. Nadelwälder entsprechen nicht den Vorstellungen von Friedlichkeit undRuhe. Hier spiegeln sich Formen eines gewissen Waldbewusstseins und eine unspezifische Natursehnsucht. Baumwurzelbestattungen gehören damit in den Bereich der sehr individualistischen Prinzipien heutiger Todesvorstellungen. Besonders die indirekten Transzendenzvorstellungen, Vorstellungen von buntem Herbstlaub, lätschernden Bächen und im Wind rauschenden Baumwipfeln,die für die in Form von Asche den Baum düngenden Toten eine Rolle spielen sollen, zeigen die Suchprozesse einer individualisierten Form von Spiritualität, wie sie auch an anderen Trauerorten zu beobachten ist. Sich als Teil eines Baumes zu imaginieren, sich eine Beziehung zueinem Baum als Alter Ego vorzustellen, verweist auf zahlreiche kulturell überlieferte Vorstellungen von Naturverständnis seit der Romantik. Stefanie Rüter hat so mit ihrer Analyse eine interessante Verbindung von unbewussten Suchstrukturen aufgedeckt. - Christine Aka in: Rheinisch-westfälische Zeitschrift für Volkskunde, 58/2013