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Description
(Text)
»Ein Hotelzimmer, eine Frau, ein Mann: Mehr braucht es nicht, um eine große Liebesgeschichte zu erzählen.« Elle
Eine Frau sitzt in einem Hotelzimmer und schreibt einen Brief. Sie schreibt einen Brief an den Mann, dem sie einst leidenschaftlich verbunden war. Oft haben sich die Liebenden hier in Zimmer 411 getroffen, um eine Nacht miteinander zu verbringen und einander zu erforschen. Doch die Verheißung auf eine gemeinsame Zukunft hat sich nicht erfüllt, und es kommt der Tag, an dem sie aufbrechen müssen, um ihr Glück an einem neuen Ort zu suchen. Mit sich nehmen sie aber die Gewissheit, dass sie erfahren haben, was es bedeutet, von ganzem Herzen und mit völliger Hingabe zu lieben.
(Extract)
Für V. T.
Dieser Brief wird Dir von vornherein nicht schmecken. Er wird Dir von Anfang an gegen den Strich gehen. Er wird Dich verstören. Du wirst ihn dennoch bis zu Ende lesen müssen. Weil er die Wahrheit sagt. Zugegeben, es ist meine Wahrheit, aber ist eine Wahrheit erst einmal heraus, betrifft sie irgendwie jeden.
Er wird Dir gegen den Strich gehen, aber das macht nichts: Was kann Dir die Lektüre eines Briefes schon schaden?
Dies ist ein Hotelzimmer.
Albergo Nazionale, Piazza di Montecitorio, Rom.
Das Zimmer hat die Nummer 411.
Und das ist mein Körper, reflektiert in einem Spiegel. Nicht in dem langen, schmalen Innenspiegel des Wandschranks, in dem ich mich jeden Tag betrachte. Dieser hier ist riesig, eine regelrechte Tür, die zudem das Spiegelbild einer anderen reflektierenden Oberfläche zurückwirft. Das Licht kommt von hinten, so sehe ich meinen Körper nur als Schattenriss. Das, was ich sehe, ist eine Frau. Eine Frau, nichts weiter.
Ist sie schön?
Oder ist sie hässlich?
Ich bemühe mich um einen unvoreingenommenen Blick - soweit man denn einen unvoreingenommenen Blick auf sich selbst werfen kann -, ich reinige ihn, befreie ihn von den Rückständen, den Fragen, den Unsicherheiten und Komplexen, die ich wie jeder andere auch seit der Pubertät mit mir herumschleppe - länger noch, seit der Kindheit.
Das, was ich im Badezimmerspiegel dieses Vier-Sterne-Hotelzimmers sehe, ist ein Frauenkörper. So betrachtet, in diesem Licht, das die Einzelheiten ausblendet und nur die Silhouette klar umreißt, erscheint er zierlich. Schlanke Beine, dünne Schenkel, die sich nicht berühren. Als ich noch ein Mädchen war, taten sie das eine Zeit lang, und im Sommer litt ich Höllenqualen: Ich schwitzte, und zwischen den Schenkeln, die gegeneinander scheuerten, bildete sich eine rote Stelle. Sie brannte. Und ich hasste meine Schenkel. Genauso wie ich meinen dicken, bleichen Bauch in den gerippten Baumwollunterhosen hasste, deren Gummibund einen Striemen über dem Nabel hinterließ. Als Kind war ich klapperdürr. Auf den Fotos sehe ich aus wie eine kleine Spinne, mit rundem Bauch und dünnen Ärmchen und Beinchen, vorspringenden Schlüsselbeinen und knochigen Hüften. Von einem Tag auf den anderen habe ich mich dann in einen dicklichen Teenager verwandelt. Jetzt erscheint mir der Kopf für diesen hölzernen, zerbrechlichen, hageren, gleichwohl unvollkommenen Körper zu groß. Der Bauch ist flach, mit einer leichten Wölbung, einer sanften Hautwoge, aus der die Beckenknochen regelrecht hervorbrechen. An manchen Tagen finde ich diese Knochen entsetzlich, dann wieder streichele ich sie heimlich unter den Kleidern, und es gibt mir Sicherheit, ihre Spitzheit zu spüren, die in einer allzu festen Umarmung schmerzhaft sein kann.
Der Busen ist weder klein noch groß. Die Warzenhöfe sind groß und rosa, die Brustwarzen zu dick. Der Busen ist das hässlichste an diesem Körper, der Teil, den ich vom ersten Tag an gehasst habe. Ich muss an einen anderen Spiegel denken, das Licht kommt von links, das Licht eines Sommernachmittags. Ich bin dreizehn Jahre alt und stehe missmutig vor dem runden Spiegel im blauen Badezimmer meiner Mutter. Ich mustere mich von vorn, von hinten, von schräg, von der Seite. Auf einmal sind da diese beiden seltsamen Auswüchse, die meine Brust in zwei Hälften teilen, sie entstellen. Ich kann mich nicht erinnern, mir wie viele andere Mädchen je einen Busen gewünscht zu haben. Ich glaube, bis dahin hatte ich noch nicht einmal daran gedacht, dass mir einer wachsen würde. Aber dann war er plötzlich da: ein unerwünschtes Geschenk, ein Sack voll staubiger Kohlen statt Bonbons und Schokolade, statt Belohnungen. Du warst ein böses Mädchen, sagt der Spiegel, und das hast du jetzt davon. Seit jenem Tag sehe ich zu, mein schändliches Geheimnis, mit dem ich geschlagen bin, möglichst zu vertuschen, es möglichst klein zu machen, flach zu drücken, mit Schichten von Stoff zu verhüllen, damit niemand davon wei