Description
(Text)
Wann hört eine Disziplin wie die Literaturwissenschaft auf, wissenschaftlich zu sein? Unter diktatorischen Bedingungen, wenn sie aus Zwang, aus Anpassung oder freiwillig politisch wird? War die Neuere deutsche Literaturwissenschaft während des Nationalsozialismus keine Wissenschaft, waren ihre Vertreter keine Wissenschaftler mehr? Welche Handlungsspielräume hatte das Fach überhaupt zwischen 1933 und 1945? Auf diese Fragen gibt es keine einfachen Antworten und die differenzierte Forschungslage zum Thema ist kaum noch zu überblicken. Eine methodisch reflektierte Gesamtdarstellung, die diesem Wissensstand Rechnung trägt, ohne sich in ihm zu verlieren, ist somit ein Desiderat. Die Arbeit von Gerhard Kaiser bietet die erste monographische Synthese des Forschungsstands; darüber hinaus rekonstruiert und analysiert der Autor umfassend und differenziert die "Grenzverwirrungen" zwischen Wissenschaft und Politik in der Literaturwissenschaft im Nationalsozialismus. Methodisch gesehen integriert die Studie wissenschaftssoziologische, argumentationsgeschichtliche und textanalytische Forschungsansätze sowie Ergebnisse der Wissenschafts- und Gesellschaftsgeschichte. Sie vermeidet damit zum einen die Abstraktionen einer systemtheoretischen Wissenschaftsauffassung, die zu Konkretionsdefiziten führen kann, sobald sie sich der empirisch-historischen Ebene der Wissenschaftsgeschichte(n) zuwendet, und sie erweitert zum anderen den Fokus personalbiographischer Detailstudien. Gerhard Kaiser erhielt für dieses Buch 2008 den "Studienpreis der Camilla-Dirlmeier-Gedächtnis Stiftung an der Universität Siegen" als Anerkennung für herausragende wissenschaftliche Leistung.
(Table of content)
1;Inhaltsverzeichnis;6
2;Einleitung;16
2.1;1. Wissenschaftshistoriographische Vorüberlegungen;22
2.2;2. Quellen;49
2.3;3. Vier mögliche Einwände: Selektion, Apologetik, Relativismus, Blinder Fleck;50
2.4;4. Aufbau der Studie und erste Übersicht;56
3;I. Annäherungen an einen Denkstil: Paratexte 1941/42;66
3.1;Zwei germanistische Gemeinschaftswerke ;68
3.2;Von deutscher Art in Sprache und Dichtung;70
3.3;Gedicht und Gedanke;80
4;II. Resonanzkonstellation 1933 1945;88
4.1;1. Halb so teuer und doppelt so deutsch : Zum Resonanzprofil der Geisteswissenschaften zwischen 1933 und 1945;90
4.2;2. Legitimationsprobleme einer durchaus nicht notwendigen Wissenschaft : Zum Resonanzprofil der Neueren deutschen Literaturwissenschaft zwischen 1933 und 1945;95
4.3;3. Nationalsozialistische Steuerungsversuche und Entwicklung der Personalkonstellation in der Neueren deutschen Literaturwissenschaft unter den hochschul- und wissenschaftspolitischen Rahmenbedingungen zwischen 1933 und 1945;104
5;III. Grenzverwirrungen Die Neuere deutsche Literaturwissenschaft zwischen Eigensinn und Resonanz;140
5.1;1. Eröffnungsspiele: Akklamation, Abwehr und Distinktion Programmatische Texte 1933/34;142
5.2;2. Die ewige Wiederkehr des Neuen : Revitalisierungsdiskurse im Zeichen des Lebens ;214
5.3;3. Schwierigkeiten mit der kopernikanischen Wende : Von der begrenzten Anziehungskraft des Rasse-Begriffes für die Literaturwissenschaft vor und nach 1933;309
5.4;4. Literaturwissenschaft als Wirklichkeitswissenschaft und als Wesens- und Wertewissenschaft im Zeichen des Volkes : Modernisierungsvarianten und orthodoxer mainstream;426
5.5;5. Neue Grenzen und alte Verwirrungen: Literaturwissenschaft und Dichtung ;670
6;IV. Nachspiele: Diskursives Vergangenheitsmanagement in der Neueren deutschen Literaturwissenschaft nach 1945;712
7;Anhang;726
7.1;1. Entlassungen und Vertreibungen nichtbeamteter, akademischer Lehr- und Forschungskräfte:;728
7.2;2. Behaghel, Otto: Außenseiter. Eine Philippika, in: DAZ, Nr. 367 vom 9. 08.1934:;730
7.3;Danksagung;732
7.4;Literaturverzeichnis;734
7.5;Verzeichnis der Abkürzungen;781
7.6;Namenverzeichnis;782